Freitag, 19. August 2011

Ein kleines bisschen Aufmerksamkeit

Vor etwa einem halben Jahrzehnt wurde ein neues menschlichen Grundbedürfnis erschaffen. Neben Essen und Trinken verspüren wir ein interindividuell differentes Verlangen uns mitzuteilen. Seit Facebook und Co. in unser Leben Einzug hielten, vergeht kein Tag, an dem nicht einer unserer "Freunde" über unheimliche Begegnungen in der U-Bahn oder das Wetter am Urlaubsort postet. Dabei ist die inhaltliche Weite mit der des Universums vergleichbar. Aber woher kommt dieses Mitteilungsbedürfnis?

Ein Teil der Nutzer sozialer Netzwerke agiert natürlich nach dem ich-will-auch-mal-etwas-schreiben-Prinzip. Beobachtet man ausschließlich den alltäglichen Wahnsinn seiner Mitbürger ohne Eigenpräsentation, keimt eventuell das Gefühl, nur ein Spanner im Leben der anderen zu sein, auf. Um dieses Gefühl zu unterdrücken, setzen auch sonst eher zurückhaltende Menschen hin und wieder einen Eintrag in das weltweite Netz. Hinzu kommt die Implementierung des Web 2.0 in den besten Freund des modernen Homo sapiens - dem Handy. Kaum eine Anwendung auf "schlauen Telefonen" findet heute ohne Find-ich-gut-Button oder Twitter-Menüpunkt noch Beachtung und damit die Entwickler der Software nicht um ihre Mühe gebracht werden, nutzt man solche Funktionen wie selbstverständlich.

Ein andere Teil hingegen stillt sein Verlangen nach Aufmerksamkeit durch gezwittscher und geposte. Solch eine psychische (bzw. psychopathologische) Einstellung lässt sich oftmals gut in der Form der Außendarstellung erkennen. Wer kennt nicht Einträge, wie "Heute wieder ganz traurig" oder "Man, war das ein interessanter Tag"? Und wie lautet die Reaktion darauf? "Was ist denn passiert?" oder "Warum war dein Tag so aufregend?" Dieses Nachfragen ist die Droge der Aufmerksamkeitsjunkies. Das Verlangen ist so stark, dass private Unterhaltungen teilweise vollständig auf Pinnwänden gehalten werden, da die Beteiligten in ihrem Rausch vollkommen vergessen, dass sie sich in öffentlichen Raum befinden und jeder ihre intimen Angelegenheiten mitlesen kann. Eigentlich kann das den Unbeteiligten ja egal sein. Aber nervt es nicht nach einer bestimmten Zeit immer wieder Andeutungen lesen zu müssen bzw. die privaten Probleme anderer Menschen zu studieren, wenn man als einigermaßen sozial kompetenter Mensch versucht die Dinge mit sich selbst bzw. mit richtigen Freunden zu klären?

Die wunderbare Eigenschaft des modernen Internets relevante Dinge schnell zu verbreiten, kann nicht noch so hoch bewertet werden. Aber sollte man seine Gedanken teilen wollen, kann man aus Rücksicht auf seine Mitmenschen 10 Sekunden Zeit damit verbringen, das große Organ zwischen beiden Ohren bemühen zu erörtern, für wen dieser Gedanke eine Bereicherung für das Leben darstellen. Hat man diese Hürde überwunden, nutzt man einfach die gegebenen Funktion und schränkt den Nutzerkreis ein, sodass alle Welt ein glückliches Dasein fristet.

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