Mittwoch, 21. März 2012

Fragt ein Pädagoge: Was ist Wissenschaft?

"Deutschland ist das wirtschaftliche Vorbild vieler ausländischer Regierungen." Diesen oder ähnliche Sätze finden sich zur Zeit im Übermaß in den Medien und haben durchaus das Potential, die ewig unzufriedene Nation beim dauerhaften Kritisieren ein wenig die Argumentationsgrundlage zu stehlen. Arbeitsmarktpolitische Reformen sowie die Opferbereitschaft unzähliger Arbeitnehmer haben dazu geführt, dass Finanz- und Eurokrise nicht mehr als ein unbedeutender Schnupfen für die deutsche Wirtschaft bedeuteten, während andere große Industrienationen an chronischen Krankheiten, wie Miniwachstum oder sogar Rezession leiden. Aber wie kann es sein, dass ein kleines mitteleuropäisches Land ohne nennenswerte Rohstoffvorkommen oder riesige Bevölkerungszahlen seit Jahrzehnten bei den mächtigen Industrienationen mitspielen kann? Der Schlüssel zum Erfolg ist das Innovationsvermögen der Deutschen und die Funktion des Schlüsselmachers übt die Bildung aus.

Eine hochqualifizierte Bevölkerung kann quasi als Garantie für volkswirtschaftlichen wie persönlichen Erfolg betrachtet werden. Wie ist es dann möglich, dass in solch einem eminent wichtigen Bereich momentan in unserem Land solch eine Anarchie herrscht? Da wird in Bundesland X die 13. Klasse des Gymnasiums feierlich eingeführt, während in Bundesland Y eben diese nach 3 jähriger Erprobungszeit wieder verworfen wird. Da beginnt in manchen Ländern eine Diskussion über die Abschaffung der Hauptschule, welche 200km entfernt faktisch seit 15 Jahren nicht mehr existiert.

Wieso dürfen Bundesländer an ihren jüngsten Einwohnern laborieren, ohne mit einer angemessenen Ernsthaftigkeit nach Lösungen für anstehende Probleme zu suchen - nein, zu forschen. Genau hier liegt nämlich das Problem. Wo in anderen Bereichen ein Großteil der Ressourcen in die Forschung investiert wird, findet Wissenschaft in der Pädagogik so gut wie nicht statt. Schaut man sich Examensarbeiten vieler Lehramtsstudenten an, welche den Anspruch einer wissenschaftlichen Abhandlung haben sollen, stellt sich einem die Frage, wie das Zusammentragen des Inhaltes mehrerer Bücher mit dem Begriff der Wissenschaft in Einklang zu bringen ist. Immerhin stammt das Wort "Wissenschaft" von "Wissen schaffen" ab und heißt nicht "Wissensakkumulation".

Dies soll keineswegs eine Kritik an die Studenten sein, die schließlich auch nur bemüht sind Vorgaben ihrer Dozenten umzusetzen. Aber aus welchen Gründen beschäftigen sich diese nicht mit relevanten Fragestellungen? Ein Mangel an zu erforschenden Themen kann jedenfalls nicht die Begründung sein. Oftmals wird es sich einfach gemacht, indem man (wie in der Schule üblich) schlicht beim Nachbarn abguckt - der Schwede macht das auf jene Art und der hat meistens gute Ergebnisse - dann machen wir das auch so. Leider ist es aber ungenügend unvollständig abzuschreiben (analog zum Schultest), denn man sollte das Gesamtkonzept untersuchen und in angepasster Form übernehmen. Man kann nicht die Ganztagsschule einführen und sich aufgrund ausbleibenden Erfolges wundern, wieso die Methode in Deutschland nicht funktioniert, wenn man die finanzielle Ausstattung der Bildungseinrichtung nicht auch adaptiert.

Daher ist es volkswirtschaftlich wohl um ein Vielfaches effektiver, wenn von Universitäten die gleiche Forschungsleistung im Bereich Pädagogik verlangt wird, wie sie in Bereichen etwa der Technik oder Medizin seit Jahren erbracht wird. Anhand der dann vorliegenden Daten können gezielte Veränderungen vollzogen und Innovationen in den Lernbetrieb integriert werden. Bei entsprechendem Erfolg lässt sich das erworbene Know-How dann mühelos in andere Länder exportieren - ähnlich wie gewisse Arbeitsmarktreformen.

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